11.04.2017

«Ich schätze es an einem Stück Geschichte arbeiten zu dürfen»

Claudia Michel aus Illnau schloss den Lehrgang Handwerk in der Denkmalpflege mit dem besten Gesamtergebnis ab. Wovon sie durch die Weiterbildung am meisten profitiert und was ihre ausgezeichnete Abschlussarbeit beinhaltete, berichtet sie im Interview.

Sie haben bereits vor der zweijährigen Weiterbildung hauptsächlich auf Renovationen gearbeitet. Wo profitieren Sie nun am meisten von der Weiterbildung?

Da die Weiterbildung sehr theoretisch war, konnte ich vor allem viel Hintergrundwissen gewinnen. Dank dem neuen Wissen, was den korrekten Umgang mit historischen Bauten ausmacht, weiss ich, wie ich vorgehen muss und welche Möglichkeiten mir zur Verfügung stehen. Ausserdem veränderte sich mein Bewusstsein für die Farben und Materialien.

Ihre Abschlussarbeit war das Konzept für die Fassadenrenovation des ehemaligen Schulhauses in Wildberg ZH mit Baujahr 1864. Können Sie etwas näher darauf eingehen?

In meiner Projektarbeit stellte ich die Vorüberlegungen an und machte der Gemeinde einen Vorschlag in Form eines Leitfadens für die denkmalgerechte Renovation des Schulhauses. Die vorgeschlagenen Massnahmen stützte ich auf drei Materialanalysen der zu bearbeitenden Fassadenbauteile. Eine davon führte ich selbst durch, die anderen liess ich von einem Labor machen.

Wo lagen beim Erstellen des Leitfadens für Sie die Herausforderungen?

Da der Gemeinde nur ein geringes Budget zur Verfügung steht, nahm ich mir vor, ihnen mehrere Lösungen zu präsentieren. Als sich nach den Materialanalysen allerdings das Schadensbild abzeichnete, wurde mir bewusst, dass nur eine Lösung in Frage kam. Je nach Schadensbild lässt sich nicht immer eine billige Variante für die Renovation finden. Ich musste erkennen, dass ich meinen kommunizierten Vorsatz von mehreren Renovationslösungen gegenüber dem Bauherrn nicht einhalten konnte.

Was zeigte sich bei Ihrer Analyse konkret?

Wie ich durch das vorhandene Schadensbild vermutet habe, ist es auf eine Materialinkompatibilität zurückzuführen. Im Aussenbereich waren Zement und Dispersionen auf Kalkuntergründen verwendet worden. Ältere Fassaden leiden häufig unter diesem Fehler. Vor allem nach dem zweiten Weltkrieg kam diese Renovationsmethode auf, denn sie war schnell und sah gut aus. Durch die dichten und harten Schichten wurde jedoch der kapillar- und diffusionsoffene Kalkuntergrund kontinuierlich beeinträchtigt. Damit die Substanz erhalten werden konnte, war es notwendig, den Deckputz, der härter war als der Grundputz, vollständig zu entfernen.

Worauf legten Sie in Ihrer Abschlussarbeit besonderen Wert?

Auf die Substanzerhaltung. Dass keine Malereien oder Fresken vorhanden waren, erleichterte es etwas. Trotzdem gab es viele Punkte, die es zu beachten galt und bei denen ich entscheiden musste, welche Variante am geeignetsten war. Solch eine Renovation ist von Fall zu Fall sehr verschieden und kann daher nicht nach einem exakten Muster definiert werden.

Wie gehen Sie heute mit dem neu gewonnenen Hintergrundwissen an ein solches Projekt heran?

Ich bin eindeutig analytischer. Bevor ich eingreife, wäge ich viel sorgfältiger ab. Auch kann ich auf Analysetechniken zurückgreifen, die ich vor der Weiterbildung noch nicht kannte. Früher bekam ich einen Auftrag, den es auszuführen galt. Heute weiss ich, welche Massnahmen bei welchem Schadensbild richtig oder falsch sind. Und dank dem Hintergrundwissen kann ich dementsprechend auch besser argumentieren und meine Meinung einbringen.

Und was hat Sie überhaupt zu dieser Weiterbildung motiviert?

Ich fühlte mich in alten Gebäuden schon immer in gewisser Weise geborgen. Die Tatsache, dass an diesen Orten jeweils viele Leute ein- und ausgegangen sind und sich über die Jahrzehnte viel ereignet hat, finde ich interessant. Dass ich an diesen Stücken der Geschichte arbeiten darf, schätze ich deshalb sehr. Daher wollte ich nach meiner Lehre noch tiefer in dieses Themengebiet eintauchen und mich weiterbilden.