07.12.2012

Neue Perspektiven, historische Werte

Die Schreinerzeitung hat Marco Böckli kürzlich während eines Moduls der Ausbildung zum «Handwerker/in in der Denkmalpflege» besucht. Sie schreibt: «Für Schreinerinnen und Schreiner bietet dieser berufsbegleitende Lehrgang interessante Perspektiven in einem Nischenmarkt.»

Kürzlich besuchten Marco Böckli und seine Kolleginnen und Kollegen des Lehrganges «Handwerker/in in der Denkmalpflege» die Baustelle des Berner Münsters. Dabei hatten sie unter anderem Gelegenheit, mit dem Münsterarchitekten zu sprechen sowie dem Steinmetz über die Schultern zu schauen. Marco Böckli schloss vor zehn Jahren seine Lehre als Schreiner ab und arbeitete danach während zehn Jahren auf dem Beruf – unter anderem als Projektleiter. Vor drei Jahren trat er ins elterliche Geschäft ein, das auf die Restaurierung von Möbeln spezialisiert ist. Nach einer Zusatzausbildung des Lehrgangs zum Möbeirestaurator vor zwei Jahren lässt sich Marco Böckli nun in die Arbeit der handwerklichen Denkmalpflege einführen. Im September startete der Schreiner diese zusätzliche Ausbildung, welche von den Luzerner Schreinern durchgeführt wird. «Ich schätze an diesem Lehrgang, dass wir sämtliche Bereiche der handwerklichen Denkmalpflege behandeln und so auch den Umgang mit den verschiedensten Materialien kennenlernen», betont der Möbelrestaurator und Schreiner.

Vernetztes Denken ist gefragt
Margareta Schöchlin, Gründerin und Hauptdozentin des Lehrgangs «Möbelrestaurierung/Konservierung VSSM», führt seit 20 Jahren die Schreiner in den Umgang mit historischen Möbeln ein. Die Sensibilität der Kunden für historische Objekte hat laut der Dozentin in den letzten Jahren zugenommen. Konstant sei die Nachfrage nach dieser Ausbildung, welche sich vor allem an Schreiner, Holzbildhauer, Drechsler und Restauratoren richtet. «Die fachspezifischen Module können aber ebenso von Interessenten besucht werden, die handwerkliches Geschick und Interesse an historisch wertvollen Objekten mitbringen«, erklärt Margareta Schöchlin. Eine wichtige Voraussetzung für diese Ausbildung sei ein gutes verletztes Denken, Freude an der Substanzerhaltung sowie eine hohe Kommmunikationskompetenz im Umgang mit Kunden, Architekten und der Denkmalpflege. Pro Lehrgang absolvieren jeweils 10 bis 14 Personen die Ausbildung der Luzerner Schreiner. Nun steht die Weiterbildung im Bereich der fachgerechten Behandlung und Aufbereitung historischer Holzerzeugnisse, wie zum Beispiel Möbel, aber auch ganzer Inneneinrichtungen, auf einem neuen Fundament. Die Ausbildung erhält mit dem Fachausweis. «Dank über 20-jähriger Bildungsarbeit sowie der Unterstützung der Luzerner Schreiner und des VSSM Schweiz sind wir in der Lage, traditionelle Kenntnisse und Fertigkeiten auf dem Gebiet der Restaurierung und Konservierung zu vermitteln», erklärt Margareta Schöchlin.

Fachrichtung Möbel und Innenausbau
Speziell in der Fachrichtung Möbel/Innenausbau kann die Branche auf die langjährige Ausbildungserfahrung der Luzerner Schreiner mit ihren kompetenten Referenten zurückgreifen. Die Absolventen erlernen an eigenen Projekten, das Gelernte praktisch zu üben. Sie beurteilen die Konstruktionsweise sowie die Materialien von Objekten und erkennen deren Funktion und Stil. Detailtreu führen sie Ergänzungen und Wiederherstellungen in traditionellen Verfahren aus. Dazu gehören auch entsprechende Oberflächenbehandlungen wie das Polieren mit Schellack. «Wir legen grossen Wert darauf, den Teilnehmenden die alten handwerklichen Traditionen zu vermitteln, damit diese erhalten und weiterhin gepflegt werden. Gleichzeitig lassen wir aber genauso moderne Techniken einfliessen, so dass sich Alt und Neu gegenseitig ergänzen», erklärt Margareta Schöchlin. Grundsätzlich werde die Handarbeit grossgeschrieben. Alle Arbeiten müssten reversibel, also zurückfiihrbar sein. Aus diesem Grund verwende man zum Beispiel je nach Epoche die dazugehörigen Leimtechniken. Weiter lernen die Teilnehmenden, eine Dokumentation zu führen, die Objekte fachgerecht zu fotografieren und mit den Kunden zu kommunizieren.

Arbeit an eigenen Projekten
Philipp Dräyer, seit 15 Jahren Fachlehrer an der Holzbildhauerschule in Brienz, blickt bereits auf einen erfolgreichen Abschluss dieses Lehrganges zurück. Der ausgebildete Möbels ehreiner, Holzbildhauer mit Meisterprüfung und Werkstattlehrer entschied sich für diese Weiterbildung, weil er immer wieder auch im Bereich der Denkmalpflege arbeitet. «Ich habe sehr von diesem Lehrgang profitiert. Besonders gefallen haben mir die Oberflächenbehandlung sowie die Stil- und Möbelkunde. Ein grosser Vorteil dieser Ausbildung ist, dass man das Gelernte stets auch an eigenen Projekten praktisch üben und anwenden kann», schwärmt Philipp Dräyer. Zustzliche Aufträge, neue Kunden Für eine Schreinerei, die sich im Bereich der Denkmalpflege positioniert, bedeutet dieses Zusatzangebot gemäss Hanspeter Strang, Lehrgangsdozent im Bereich Innenausbau, zusätzliche Aufträge in einem neuen Kundensegment. «Wir arbeiten vor allem mit Architekten und der Denkmalpflege zusammen, aber auch mit privaten Kunden. Nach der Ausbildung können sich die Absolventen auf die Liste der Denkmalpflege einschreiben und werden von dieser nach Bedarf beauftragt oder weiterempfohlen.» Ein Grossteil der spezialisierten Betriebe habe in den letzten Jahren ein grosses Netzwerk im Bereich der Denkmalpflege wie auch mit privaten Kunden aufgebaut, ergänzt Hanspeter Strang. An der Nachfrage nach spezialisierten Handwerkern mangle es nicht, schliesslich sei das Bewusstsein für historische Bauobjekte mittlerweile merklich gestiegen. In der Regel sei in einer Schreinerei der Bereichsleiter mit dem abgeschlossenen Studium zum Handwerk in der Denkmalpflege zuständig für die Objekte auf dem Bau, und somit auch für die Kontakte zu Architekten und Auftraggebern.

Breites Arbeitsfeld
Wie stehen nach diesem Lehrgang die Chancen auf dem Arbeitsmarkt? «Der eidgenössische Fähigkeitsausweis ist eine Qualitätsauszeichnung für Handwerker. Neben theoretischen sowie praktischen Kenntnissen wird im Lehrgang auch der Umgang mit Kunden und Behörden, das Erarbeiten von Konzepten und selbständiges und zielorientiertes Vorgehen vermittelt. Mit den neu erworbenen Fähigkeiten eröffnet sich dem Absolventen ein breites Arbeitsfeld, und somit grössere Chancen auf dem Arbeitsmarkt», ist Armin Schmid, Leiter der Weiterbildung der Luzerner Schreiner, überzeugt.

Neue Perspektiven, historische Werte, Schreinerzeitung, 6.12.2012